Auch die Lokalzeitung "Heilbronner Stimme" berichtet über die Ausstellung

Hier finden Sie zwei Pressetexte der Heilbronner Stimme zur aktuellen Ausstellung

Text vom 22.10.2012
Museum im Schafstall zeigt hochkarätige Ausstellung Trompe-l’oeil/Realité
Von Ute Plückthun

Die Kunst der Augentäuschung
Außergewöhnliche Ausstellungen sind im Neuenstädter Museum im Schafstall keine Seltenheit: Mit mehr als 170 Gemälden der Künstlergruppe „Trompe-l’oeil/Réalité“ ist es Leiter Hubert Sawatzki erneut gelungen, eine Werkschau von beachtlich hohem Niveau zu installieren, die gleichermaßen dem individuellen Kunstgenuss wie der Würdigung der intensiven deutsch-französischen Beziehungen Rechnung trägt. Dafür wurden ihm bei der Vernissage hohe Ehrungen zuteil.

Reflexion Es ist faszinierend: Die Lichtreflexion auf den Aufbewahrungsgläsern, die Spielkarten, Pfeifen und andere Utensilien beinhalten, blendet. Obwohl sie nur gemalt ist, ist der Betrachter versucht, die Augen zuzukneifen. Dem Künstler ist gelungen, was sich die Gruppe „Trompe-l’oeil/Réalité“ augenzwinkernd und nicht ohne Humor zur stilrichtenden Aufgabe gemacht hat: Die Kunst der Augentäuschung durch eine Malerei, die durch detailgetreuste Abbildung des realen Objekts und perfekten Schattenwurf auf den ersten Blick die Illusion von realen Objekten erzeugt.

Obst und Gemüse auf Leinwand verführen ebenso zum Zugreifen wie ein Stapel von Büchern und Zeitschriften. Holz mit täuschend echter Maserung lässt nicht erkennen, wo der Bilderrahmen beginnt. Gemalte Fotos scheinen vergilbte Patina zu tragen. Beim Bild des offensichtlich herausragenden Medusenhauptes weicht man aus, ganz zu schweigen vom Herrenurinal.

„Nichts scheint der Geduld und der Überzeugungskraft von Hubert Sawatzki widerstehen zu können“, vermutete die Künstlerin Janine Mielcarek bei der Vernissage, die von Elena Rachelis (Klavier) und Sofija Molchanova (Klarinette) mit Kovacs, Milhaud und Chopin ausgezeichnet umrahmt wurde. Sie berichtete: „Die größten Namen dieses Genres sind seiner Einladung gefolgt.“ 17 Künstler aus allen Regionen Frankreichs stellen aus, elf waren vor Ort.

Visuelle Fallen und optische Illusionen: Janine Mielcarek gab einen Überblick über den Malstil, der im 5. Jahrhundert vor Christus entstanden, in den 1960er Jahren von Henri Cadiou wiederbelebt und später von seinem Sohn Pierre Gilou fortgeführt worden war. „Eine außerordentliche Anerkennung fand die Ausstellung der Gruppe 1993 im Grand Palais in Paris mit 65 000 Besuchern in zwei Wochen.“

Bürgermeister Norbert Heuser würdigte die Ausstellung als „Zeichen für die gelebte deutsch-französische Freundschaft“, deren Grundlage mit dem Elysée-Vertrag vor fast 50 Jahren geschaffen worden sei. FDP-Staatsminister Michael Link aus Heilbronn bezeichnete es als „Ehre, einen so bedeutenden Anlass eröffnen zu dürfen“ und nannte die Werkschau einen „Meilenstein in der Kulturlandschaft“. Die deutsch-französische Freundschaft sei aber „keine Augentäuschung, sondern ist real, wetter- und sturmerprobt“.

Auszeichnung Die Grenzen überwindende Kraft der Kunst betonte Jacqueline Vermère, Präsidentin der 1915 in Paris gegründeten Société Académique des Arts, Sciences et Lettres. Sie überreichte Hubert Sawatzki, der das Museum seit 23 Jahren leitet und mit seinen „Fähigkeiten auch in Frankreich anerkannt“ sei, die Silbermedaille des Instituts. Damit stellte sie ihn auf eine Stufe mit anderen Preisträgern wie Albert Schweitzer, Yehudi Menuhin, Pierre und Marie Curie oder Jacques-Yves Cousteau. Und nicht nur das: Zugleich ernannte sie ihn zum Delegierten der Akademie in Deutschland mit der Aufgabe, deutsche kulturelle Werke für die Verbreitung in Frankreich zu entdecken. Hubert Sawatzki zeigte sich gerührt und gewohnt bescheiden, gab das Lob an das Museum und die Stadt gleich weiter.





Text vom 29.10.2012
Ausstellung „Trompe-l’œil/Réalité“ im Museum im Schafstall
Von Leonore Welzin

Das große Täuschungsmanöver
Mit Pinsel und Farbe die Realität übertreffen, das wollten schon die Maler der Antike, wie Plinius berichtet: „Zeuxis malte im Wettstreit mit Parrhasius Trauben so naturgetreu, dass Vögel herbeiflogen, um an ihnen zu picken. Daraufhin stellte Parrhasius seinem Rivalen ein Gemälde vor, auf dem ein Vorhang zu sehen war. Als Zeuxis ungeduldig bat, diesen doch endlich beiseite zu schieben, um das dahinter befindliche Bild zu betrachten, hatte Parrhasius den Sieg sicher, da er es geschafft hatte, Zeuxis zu täuschen. Der Vorhang war nämlich gemalt.“

Enthüllen, um zu schauen, was dahinter steckt, die Verpackung aufreißen, um zu sehen, was sich darin verbirgt: Der verstellte Blick in die Welt, erfüllt von Ungeduld und Neugier, ist ein unerschöpfliches Thema (was uns auch das Verpackungskünstlerduo Christo und Jeanne-Claude gelehrt hat) und nur die eine Seite der Ausstellung „Trompe-l’œil/Réalité“ (Optische Täuschung/Wirklichkeit) im Museum im Schafstall in Neuenstadt.

Hinters Licht führen Die andere, sinnliche Seite ist die handwerkliche, maltechnische, die den Betrachter, immer wieder aufs Neue in Staunen versetzt. Ihn seit der Entdeckung perspektivischer Abbildung verblüfft oder hinters Licht führt, zumindest aber irritiert. Sei es mit etwas so Unscheinbarem wie einem transparenten Tesafilm-Streifen, mit dem Henri Cadiou ein Pin-Up in seine gemalte „Fabrikgarderobe“ geklebt zu haben scheint, sei es eine Fliege, die sich auf einem Gemälde niedergelassen hat.

Viele der 17 ausgestellten Zeitgenossen aus Frankreich haben ein Faible für Holzmaserung. Säge- oder Schleifspuren, lackiertes Holz, edel wie ein geschnitzter Rahmen, finden sich ebenso wie rau und abgesplitterte Bretter einer billigen Kiste. Aber auch andere Materialien Papier, Glas, Leder, Stoffe, Pelz, alte Fotos, alte Bücher, Näh- oder Spielzeug verlocken zum Anfassen. Exemplarisch sind Bilder wie „Lattenkiste mit blauer Tasche“ und „Blauer Siphon und Granatapfel“ von Pierre Gilou, dem Sohn des Meisters und Gründers der Bewegung Henri Cadiou. Oder auch ein Gemälde wie „Der Geiz“ von Guy Christian Canat.

Obgleich es sich durchweg um Stillleben handelt, entfalten die Maler an der Grenze von Schein und Sein eine unglaubliche Themen- und Objektvielfalt, mit individuellen Reverenzen, unter anderem an die Kunstgeschichte.

Da wird das Ur-Motiv der Traube (Symbol des Gottes Dionysos) aufgegriffen und von Alain Goepfert (1948) ironisch paraphrasiert in einem Arrangement aus Bananen, Gurke, Karotte und Champignons mit dem Titel „Ithyphallisches Stillleben“. Ludovic Bottosso (1977), der Jüngste der Vertreter des Trompe-l’œil, stellt anspielungsreich einen ausgetrockneten Bonsai mit schlangenartig gewundenem Stamm vor einen verknitterten, an die Wand gepinnten „Sündenfall“ von Dürer und nennt es „Baum der Erkenntnis“.

Was mit ironischer Leichtigkeit, Subtilität und Detailliebe auftrumpft, hat erzählerischen Charme und ist doch auch eine Kampfansage an den jahrzehntelangen Dogmatismus der Abstrakten. Fazit: Unbedingt sehenswert.

Öffnungszeiten
Bis 27. Januar. Dienstag bis Sonntag 14 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr, Sonntagführung 11 Uhr.


Museum im Schafstall, Dienstag, 13. November 2012

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